03.05.2013

"What A Trip - Around Oz" - Das Interview mit Maximilian Semsch


Mit freundlicher Genehmigung von ©Maximilian Semsch - Bei findet Ihr übrigens noch mehr Fotos.

Mir ist der Münchner Reisefotograf und Filmemacher Maximilian Semsch erstmalig mit seiner Fahrradtour von München nach Singapur aufgefallen. Eher zufällig im Netz entdeckt, blieben mir die Bilder seiner DVD im Gedächtnis und ich verfolgte seine weiteren Reisevorhaben. Nun umrundete er 2012 das sechstgrößte Land der Welt auf einem E-Bike. 16.000 Kilometer führten ihn und seine Lebensgefährtin Marion, sowie den Kameramann Frank rund um Australien. Wir vom Kettenblatt Blog, wollten wissen, wie man solch eine Strecke zwischen Mosquitos und Road Trains meistert und wie ihn sein E-Bike dabei unterstützt hat.

Du bist mit dem E-Bike 16.000 Kilometer um Australien geradelt. Die bisher längste E-Bike-Testfahrt, aber auch eine Testfahrt, die nicht nur alles vom Material abverlangt hat, sondern auch die mentale Stärke und körperliche Konstitution massiv herausgefordert hat.

Du hattest zu Beginn der Tour eine 146 Kilometer lange Strecke, die schnurgerade durchs Land führte, ab welchem Kilometer setzte die Frustration ein?
Maximilian Semsch: Ja, das war Australiens längstes Stück gerade Straße mit 146,6 km in der Nullarbor Ebene und dazwischen gab es nichts zu sehen. Aber selbst wenn es ein paar Kurven gab, war die Landschaft stellenweise sehr monoton und nach 350 km kommt dann irgendwann mal eine Tankstelle. Da kommt dann schon mal ein wenig Frust auf, wobei im Süden des Landes es noch okay war, da der Wind zumindest nicht gegen uns war.

Kamen dabei auch Zweifel am Projekt auf?
M.S.: Auf jeden Fall. Es gibt schon Tage an denen man sich denkt, was mach ich hier eigentlich? Auch ist es so, je mehr Leute mitreisen desto mehr kann auch schief gehen. Nur eine ernsthafte Erkrankung oder Verletzung und wir hätten die Reise vielleicht abbrechen müssen. Somit gehören zu so einem großen Projekt auch immer Zweifel dazu. Nur der Glaube daran, dass wir es schaffen war immer größer als der Zweifel, sonst hätten wir diese Reise wohl nie gemacht.

Bei den Aufnahmen im ersten Drittel der Tour sieht man, dass du mit dem E-Bike ein erstaunliches Tempo drauf hast, wenn man bedenkt, dass du mit vollem Gepäck gereist bist. Musstest du dich sehr an das Tempo deiner wechselnden Mitreisenden anpassen?
M.S.: Den größten Vorteil am Pedelec habe ich darin gesehen, dass man körperliche Unterschiede sehr gut über den Motor ausgleichen kann. Wenn jemand eine bessere Kondition hat als der andere, fährt der einfach mit ein bisschen mehr Unterstützung, verbraucht vielleicht auf einen Tag gesehen einen halben Akku mehr, aber man ist gleich schnell unterwegs. Somit gab es keine Probleme.

Wie hast du dabei das Fahren mit Marion empfunden?
M.S.: Das war für uns beide natürlich super. Marion und Frank sagten von vornherein, dass sie große Lust haben auf Australien, aber nicht bei über 40 Grad Rad fahren wollen, deshalb auch das Auto. Aber irgendwann wollte Marion es mal ein, zwei Tage ausprobieren, wie es ihr gefällt. Es gefiel ihr sehr gut und sie ist über 5000 km gefahren. Auch Marion hat gemerkt, dass das Reisen mit dem Fahrrad eine viel intensivere Art des Reisen ist.

Wie hoch war denn da dein täglicher Wasserverbrauch? Gerade bei Temperaturen über 40°C stelle ich mir den immens vor.
M.S.: Bis zu 8 Liter pro Tag nur fürs trinken. Und ab 11 Uhr hat das Wasser Teetemperatur. Sehr lecker.

In Australien gibt es eher wenig Long-Distance-Biker, wie wurdet ihr von den Einheimischen wahrgenommen? Ich hatte bei der Doku das Gefühl, dass da eine Mischung aus Skepsis und Neugierde bestand.
M.S.: Die meisten Australier haben mir nur den Vogel gezeigt. Auf dem fünften Kontinent fährt so gut wie niemand Fahrrad und deswegen habe ich immer sehr viel Kopfschütteln geerntet, wenn ich erzählt habe, was ich vorhabe.

...und wie kamst du im Straßenverkehr zurecht? Einige Begegnungen mit Road Trains sahen schon sehr abenteuerlich aus.
M.S.: Das Gefährlichste in Down Under waren nicht die giftigen Tiere, sondern eindeutig der Straßenverkehr. Als Radfahrer ist man in Australien kein vollwertiger Verkehrsteilnehmer, sondern für die meisten ein lästiges und nerviges Hindernis. So passiert es, dass du von Autofahrern angehupt, beschimpft oder sogar mit Milchshakes beworfen wirst. Und natürlich wird nicht wie bei uns mit 1,5 Meter Sicherheitsabstand überholt. Besonders gefährlich waren die sogenannten Road Trains, Trucks mit bis zu vier Anhängern, 60 Meter lang, 120 Tonnen Gewicht und fahren 110 km/h. Wenn so ein Ding ungebremst mit 20 cm Abstand an mir vorbeigefahren ist, hat mein Herz jedes mal zwei Schläge ausgesetzt. Zwei, drei Situationen waren so knapp, da hat nicht viel gefehlt und ich würde heute nicht mehr hier stehen.

Es gab einige spontane Kooperationen, wie z.B. mit Rockingham Wild Encounters, sowie einige Vorträge. Wie kam es dazu?
M.S.: Meistens purer Zufall. Wir hatten natürlich auch während der Reise eine gute Berichterstattung und viele Leute, auch in Australien sind auf uns aufmerksam geworden. Da wurden wir schon das ein oder andere mal eingeladen, z.B. zum schwimmen mit Delfinen, was übrigens ein wirklich toller und unvergesslicher Moment war. Bei meinem Vortrag wurden wir von einer Familie in Geraldton (Western Australia) eingeladen ein paar Nächte bei ihnen zu übernachten. Die beiden waren Lehrer und fragten mich, ob ich nicht in der Schule einen Vortrag über meine Reisen halten kann. Hab ich dann auch gemacht, nur wusste ich nicht, dass die ganze Schule daran teilnimmt. Und vor 150 Schülern fließend auf englisch einen Vortrag halten, da war ich doch ein wenig nervös.

In einer Folge sieht man Cops in Front eines gewaltigen Grafittis von Roa, einem Recht bekannten Künstler. Hast du sonst noch was von der Szene in Australien mitbekommen?
M.S.: Ich muss gestehen bis zu diesem Interview, habe ich Roa gar nicht gekannt. Mir hatte nur das Motiv sehr gut gefallen. Ansonsten war es denke ich das einzige Werk von Roa das wir gesehen haben. Aber gerade in den Großstädten gibt es immer wieder Grafitti Kunst.

Du hast am Night-Bike-Ride teilgenommen, wie denkst du über Critical Mass?
M.S.: Ich denke es ist eine gute Sache um auf gewisse Themen aufmerksam zu machen. Gerade in Australien gibt es noch kein Verständnis für Fahrradfahrer. Es war aber die erste Critical Mass bei der ich mit dem Fahrrad teilgenommen habe.

Welche Begegnungen haben dich auf der Tour am stärksten beeindruckt? Ich denke da an den Läufer, der alleine durch das Outback gestapft ist, ich hatte in dem Moment ein gemischtes Gefühl aus Faszination und dem Bedürfnis zu sagen „der ist doch bekloppt...“.
M.S.: Wenn der Australier nicht gerade hinterm Steuer sitzt, sind es super nette und hilfsbereite Menschen. Jedes mal wenn wir eine Panne oder ein Problem hatten, haben uns die Leute sofort geholfen. Auch wurde wir das ein oder andere mal eingeladen bei Leuten zu schlafen oder mit ihnen zu essen. Aber auch so Leute wie der Soldat der 600km alleine durchs Niemandsland gelaufen ist haben mich sehr beeindruckt.

Wie schon Anfangs angesprochen, hat die Tour nicht nur das Material beansprucht und in der Doku sagst du, dass ihr gerade einen Film dreht, in dem alles schief geht. Womit konntest du dich an den Tiefpunkten motivieren?
M.S.: Wenn ich eins auf auf meinen Reisen gelernt habe, dann dass es irgendwann auch wieder bergauf geht. An diesen Tiefpunkten habe ich mir dann immer eingeredet, dass die Welt morgen schon wieder viel besser aussieht.

Gerade die Situation im Zelt, bei Regen, du hast dich selbst gefilmt, wirkte schon arg verzweifelt...
M.S.: Folge sechs der DVD ist so ein bisschen die Es-geht-alles-schief-Episode. Wir hatten irgendwann einmal für knapp drei Wochen ein Pechsträhne in der aber auch wirklich alles schief ging. Da habe selbst ich zwischen drin angefangen zu zweifeln und wir waren auch kurz davor die Reise abzubrechen. Aber am Ende ging ja alles gut. Und für die DVD war es natürlich auch gut, dass Dinge schief gingen, das erhöht für den Zuschauer die Spannung.
...und macht die DVD besonders ehrlich.

Ihr seid einige „Umwege“ gefahren, teils um Wildparks zu besichtigen, oder zum nördlichsten Punkt eurer Tour zu gelangen. Wie gehst du mit diesen Umwegen um, hattest du nicht manchmal das Gefühl jetzt bloß keinen überflüssigen Kilometer mehr zu fahren, zumal ihr ein wenig unter Zeitdruck standet.
M.S.: Ja gegen Ende waren wir dann leider unter Zeitdruck, was mir gar nicht gepasst hat. Aber die „Umwege“ haben wir gerne in Kauf genommen, denn wir wollten ja Australien bereisen und keine Geschwindigkeitsrekorde brechen. Der Weg ist das Ziel.

Außerdem hattest du einen absolut zermürbenden Gegenwind, die Tour hätte weniger anstrengend ausfallen können, wenn ihr gegen den Uhrzeigesinn gefahren wärt. Wie haben die Radfahrer auf dich und dein Pedelec reagiert, als sie dich gegen den Wind haben kämpfen sehen?
M.S.: „Du fährst in die falsche Richtung!“ Das war der Satz, den ich am häufigsten gehört habe. Es war tatsächlich so, dass ich der einzige Fahrradfahrer im Norden war der von West nach Ost gefahren ist und damit mehrere tausend Kilometer Gegenwind hatte. Auch musste ich mich immer wieder verteidigen, warum ich mit einem Pedelec fahre, das ist doch wie bescheißen und die Vorstufe zum Rollator. Ich denke der Zuschauer sieht in der DVD, dass es immer noch Fahrradfahren ist und ich oftmals, trotz Motor, an meine körperlichen Grenzen gestoßen bin. Der Unterschied zu einem normalen Rad ist, dass ich schneller unterwegs bin und eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit habe. Mit einem normalen Rad hätte ich für die selbe Strecke 6-8 Wochen länger gebraucht.

Die Pannenstatistik deines Rades fällt bei solch eine Strecke und solchen Bedingungen recht moderat aus. Möchtest du etwas über die Bereifung und das Material sagen?
M.S.: Bei den Reifen habe ich neue E-Bike Reifen für Schwalbe getestet, natürlich unplattbar und war sehr zufrieden. Überhaupt hat mein Haibike XDURO sehr wenig Probleme auf der Reise gehabt, außer Verschleiß, der bei so einer langen Reise ganz normal ist. Es war ja auch eine Testfahrt die wir unternommen haben und ich denke wir konnten zeigen, wie zuverlässig Elektromobilität heute schon ist.

Hatte der Hersteller also einen direkten Nutzen durch deine Fahrt? Weißt du, ob er Optimierungen am Rad vornehmen wird?
M.S.: Auf jeden Fall. Ich bin für meine Sponsoren auch Produkttester. Und ein wirklicher Langzeittest ist doch noch mal etwas anderes, als die Simulation in einem Testlabor. Meine Erfahrungen teile ich dann wieder mit den Entwicklern und gebe Verbesserungsvorschläge, die dann auch Einfluss auf die zukünftigen Modelle haben.

Übrigens, Glückwunsch zur Hochzeit mit Marion in Australien. Woher kam die Entscheidung möglichst weit weg von zu Hause zu feiern?
M.S.: Wir hatten das mit der Hochzeit schon vor der Reise festgelegt. Wir wollten immer, dass es unser Tag ist und hatten nie wirklich Lust auf eine riesen Veranstaltung mit Monaten Stress im Vorfeld. Außerdem kann man in Australien überall heiraten und muss nicht wie bei uns aufs Standesamt, denn der Standesbeamte kommt überall hin, so haben wir barfuß am Strand bei Sonnenuntergang geheiratet. Auch wenn meine Mama natürlich etwas traurig war, dass sie nicht dabei war.

Du hast deine erste große Reise von München nach Singapur bestritten und auch da mit großem Aufwand gefilmt, wodurch deine DVD „What a Trip“ zu Recht gefeiert wurde. In deinem jetzigen Film „Around Oz“ kündigst du zumindest an, dass die nächste Reise bereits ansteht. Irgendetwas, was du uns schon jetzt verraten kannst?
M.S.: Ich habe das in der letzten Folge der DVD natürlich bewusst offen gelassen, da ich es selbst noch nicht weiß. Am Ende hängen diese Reisen auch immer vom Budget ab, dass darüber entscheidet was ich realisieren kann. Die nächsten zwei Jahre werden zeigen wie erfolgreich das Australien Projekt läuft und wenn dann alles gut geht werde ich 2015 eine neue Reise machen. Deshalb ist es auch wichtig, dass die Zuschauer die DVD kaufen wenn es sie interessiert und nicht irgendwo illegal downloaden, sonst können Leute wie ich keine neuen Projekte realisieren. Das gilt nicht nur für mich, sondern für alle Filmemacher, Musiker oder Künstler, deshalb ist es wichtig Projekt durch den Kauf zu unterstützen, wenn man sie gut findet.

...und das möchten wir an dieser Stelle natürlich unterstützen. Die DVD/Blueray kann im eigenen Shop, oder auf Amazon bestellt werden. Den Trailer könnt ihr euch natürlich nach dem Interview anschauen, es lohnt sich.


Ab welchem Punkt wurde deine Leidenschaft zum Beruf? Hättest du beim Start in München daran gedacht immer wieder solch gewaltigen Touren zu machen?
M.S.: Sagen wir mal, ich hatte davon geträumt das es so werden würde. Ich wollte meine beiden Leidenschaften, das Filmen und das Reisen, miteinander kombinieren. Die Idee entstand 2007, bis ich allerdings davon leben konnte vergingen fast vier Jahre. Und auch heute bin ich gewiss kein Millionär. Aber ich tue etwas, was ich liebe und kann mittlerweile damit meine Miete bezahlen und möchte mit keinem anderen Beruf dieser Welt tauschen.

Dein MP3-Player war ein treuer Begleiter in teils sehr einsamen Stunden. Dein Hörbuch-Tipp für Langstrecken und dein Musik-Tipp für kürzere Strecken.
M.S.: Bei den Hörbüchern habe ich immer gerne Krimis gehört, die haben mich gut abgelenkt gerade, wenn ich Gegenwind hatte. Da ich auch großer Fan des schwäbischen Dialekts bin, haben mir z.B. die Fälle von Kluftinger sehr gut gefallen, da war immer ein bisschen Heimat mitten im australischen Busch mit dabei. Bei der Musik geht es kreuz und quer, je nach Stimmungslage. Gerade beim Gegenwind habe ich so Sachen wie Skrillex gehört, Hauptsache Laut und viel Beat. Aber auch Musik australischer Bands wie The Cat Empire oder John Buttler Trio.

Zu guter Letzt, es ist offensichtlich, dass du Fußball-Fan bist, dein Tipp für Bayern gegen den BVB?
M.S.: Das letzte Finale habe ich ja in Australien um vier Uhr Morgens gesehen. Noch ein verlorenes Finale würde ich wohl nicht packen, deshalb gewinnt Bayern im Finale mit 3:1.

Lieber Maximilian, vielen Dank für dein ehrlichen und ausführlichen Antworten und halte uns auf dem Laufenden.

 
Wer mehr will, sollte sich auf "What A Trip" umschauen.