Mit freundlicher Genehmigung von ©Maximilian Semsch - Bei

Mir ist der Münchner Reisefotograf und Filmemacher Maximilian Semsch erstmalig mit seiner Fahrradtour von München nach Singapur aufgefallen. Eher zufällig im Netz entdeckt, blieben mir die Bilder seiner DVD im Gedächtnis und ich verfolgte seine weiteren Reisevorhaben. Nun umrundete er 2012 das sechstgrößte Land der Welt auf einem E-Bike. 16.000 Kilometer führten ihn und seine Lebensgefährtin Marion, sowie den Kameramann Frank rund um Australien. Wir vom Kettenblatt Blog, wollten wissen, wie man solch eine Strecke zwischen Mosquitos und Road Trains meistert und wie ihn sein E-Bike dabei unterstützt hat.
Du bist mit
dem E-Bike 16.000 Kilometer um Australien geradelt. Die bisher
längste E-Bike-Testfahrt, aber auch eine Testfahrt, die nicht nur
alles vom Material abverlangt hat, sondern auch die mentale Stärke
und körperliche Konstitution massiv herausgefordert hat.
Du hattest zu Beginn der Tour
eine 146 Kilometer lange Strecke, die schnurgerade durchs Land
führte, ab welchem Kilometer setzte die Frustration ein?
Maximilian Semsch: Ja, das war Australiens längstes
Stück gerade Straße mit 146,6 km in der Nullarbor Ebene und
dazwischen gab es nichts zu sehen. Aber selbst wenn es ein paar
Kurven gab, war die Landschaft stellenweise sehr monoton und nach 350
km kommt dann irgendwann mal eine Tankstelle. Da kommt dann schon mal
ein wenig Frust auf, wobei im Süden des Landes es noch okay war, da
der Wind zumindest nicht gegen uns war.
Kamen dabei auch Zweifel am Projekt
auf?
M.S.: Auf jeden Fall. Es gibt schon
Tage an denen man sich denkt, was mach ich hier eigentlich? Auch ist
es so, je mehr Leute mitreisen desto mehr kann auch schief gehen. Nur
eine ernsthafte Erkrankung oder Verletzung und wir hätten die Reise
vielleicht abbrechen müssen. Somit gehören zu so einem großen
Projekt auch immer Zweifel dazu. Nur der Glaube daran, dass wir es
schaffen war immer größer als der Zweifel, sonst hätten wir diese
Reise wohl nie gemacht.
Bei den Aufnahmen im ersten Drittel
der Tour sieht man, dass du mit dem E-Bike ein erstaunliches Tempo
drauf hast, wenn man bedenkt, dass du mit vollem Gepäck gereist
bist. Musstest du dich sehr an das Tempo deiner wechselnden
Mitreisenden anpassen?
M.S.: Den größten Vorteil am Pedelec
habe ich darin gesehen, dass man körperliche Unterschiede sehr gut
über den Motor ausgleichen kann. Wenn jemand eine bessere Kondition
hat als der andere, fährt der einfach mit ein bisschen mehr
Unterstützung, verbraucht vielleicht auf einen Tag gesehen einen
halben Akku mehr, aber man ist gleich schnell unterwegs. Somit gab es
keine Probleme.
Wie hast du dabei das Fahren mit
Marion empfunden?
M.S.: Das war für uns beide natürlich
super. Marion und Frank sagten von vornherein, dass sie große Lust
haben auf Australien, aber nicht bei über 40 Grad Rad fahren wollen,
deshalb auch das Auto. Aber irgendwann wollte Marion es mal ein, zwei
Tage ausprobieren, wie es ihr gefällt. Es gefiel ihr sehr gut und
sie ist über 5000 km gefahren. Auch Marion hat gemerkt, dass das
Reisen mit dem Fahrrad eine viel intensivere Art des Reisen ist.
Wie hoch war denn da dein täglicher Wasserverbrauch? Gerade bei Temperaturen über 40°C stelle ich mir den immens vor.
M.S.: Bis zu 8 Liter pro Tag nur fürs
trinken. Und ab 11 Uhr hat das Wasser Teetemperatur. Sehr lecker.
In Australien gibt es eher wenig
Long-Distance-Biker, wie wurdet ihr von den Einheimischen
wahrgenommen? Ich hatte bei der Doku das Gefühl, dass da eine
Mischung aus Skepsis und Neugierde bestand.
M.S.: Die meisten Australier haben mir
nur den Vogel gezeigt. Auf dem fünften Kontinent fährt so gut wie
niemand Fahrrad und deswegen habe ich immer sehr viel Kopfschütteln
geerntet, wenn ich erzählt habe, was ich vorhabe.
...und wie kamst du im
Straßenverkehr zurecht? Einige Begegnungen mit Road Trains sahen
schon sehr abenteuerlich aus.
M.S.: Das Gefährlichste in Down Under
waren nicht die giftigen Tiere, sondern eindeutig der Straßenverkehr.
Als Radfahrer ist man in Australien kein vollwertiger
Verkehrsteilnehmer, sondern für die meisten ein lästiges und
nerviges Hindernis. So passiert es, dass du von Autofahrern angehupt, beschimpft oder sogar mit Milchshakes beworfen wirst. Und
natürlich wird nicht wie bei uns mit 1,5 Meter Sicherheitsabstand
überholt. Besonders gefährlich waren die sogenannten Road Trains,
Trucks mit bis zu vier Anhängern, 60 Meter lang, 120 Tonnen Gewicht
und fahren 110 km/h. Wenn so ein Ding ungebremst mit 20 cm Abstand an
mir vorbeigefahren ist, hat mein Herz jedes mal zwei Schläge
ausgesetzt. Zwei, drei Situationen waren so knapp, da hat nicht viel
gefehlt und ich würde heute nicht mehr hier stehen.
Es gab einige spontane
Kooperationen, wie z.B. mit Rockingham Wild Encounters, sowie einige Vorträge.
Wie kam es dazu?
M.S.: Meistens purer Zufall. Wir hatten
natürlich auch während der Reise eine gute Berichterstattung und
viele Leute, auch in Australien sind auf uns aufmerksam geworden. Da
wurden wir schon das ein oder andere mal eingeladen, z.B. zum
schwimmen mit Delfinen, was übrigens ein wirklich toller und
unvergesslicher Moment war. Bei meinem Vortrag wurden wir von einer
Familie in Geraldton (Western Australia) eingeladen ein paar Nächte
bei ihnen zu übernachten. Die beiden waren Lehrer und fragten mich,
ob ich nicht in der Schule einen Vortrag über meine Reisen halten
kann. Hab ich dann auch gemacht, nur wusste ich nicht, dass die ganze
Schule daran teilnimmt. Und vor 150 Schülern fließend auf englisch
einen Vortrag halten, da war ich doch ein wenig nervös.
In einer Folge sieht man Cops in
Front eines gewaltigen Grafittis von Roa, einem Recht bekannten Künstler. Hast du sonst noch was von der
Szene in Australien mitbekommen?
M.S.: Ich muss gestehen bis zu diesem
Interview, habe ich Roa gar nicht gekannt. Mir hatte nur das Motiv
sehr gut gefallen. Ansonsten war es denke ich das einzige Werk von
Roa das wir gesehen haben. Aber gerade in den Großstädten gibt es
immer wieder Grafitti Kunst.
Du hast am Night-Bike-Ride
teilgenommen, wie denkst du über Critical Mass?
M.S.: Ich denke es ist eine gute Sache
um auf gewisse Themen aufmerksam zu machen. Gerade in Australien gibt
es noch kein Verständnis für Fahrradfahrer. Es war aber die erste
Critical Mass bei der ich mit dem Fahrrad teilgenommen habe.
Welche Begegnungen haben dich auf
der Tour am stärksten beeindruckt? Ich denke da an den Läufer, der
alleine durch das Outback gestapft ist, ich hatte in dem Moment ein
gemischtes Gefühl aus Faszination und dem Bedürfnis zu sagen „der
ist doch bekloppt...“.
M.S.: Wenn der Australier nicht gerade
hinterm Steuer sitzt, sind es super nette und hilfsbereite Menschen.
Jedes mal wenn wir eine Panne oder ein Problem hatten, haben uns die
Leute sofort geholfen. Auch wurde wir das ein oder andere mal
eingeladen bei Leuten zu schlafen oder mit ihnen zu essen. Aber auch
so Leute wie der Soldat der 600km alleine durchs Niemandsland
gelaufen ist haben mich sehr beeindruckt.
Wie schon Anfangs angesprochen, hat
die Tour nicht nur das Material beansprucht und in der Doku sagst du,
dass ihr gerade einen Film dreht, in dem alles schief geht. Womit
konntest du dich an den Tiefpunkten motivieren?
M.S.: Wenn ich eins auf auf meinen
Reisen gelernt habe, dann dass es irgendwann auch wieder bergauf
geht. An diesen Tiefpunkten habe ich mir dann immer eingeredet, dass die
Welt morgen schon wieder viel besser aussieht.
Gerade die Situation im Zelt, bei
Regen, du hast dich selbst gefilmt, wirkte schon arg verzweifelt...
M.S.: Folge sechs der DVD ist so ein
bisschen die Es-geht-alles-schief-Episode. Wir hatten irgendwann
einmal für knapp drei Wochen ein Pechsträhne in der aber auch
wirklich alles schief ging. Da habe selbst ich zwischen drin
angefangen zu zweifeln und wir waren auch kurz davor die Reise
abzubrechen. Aber am Ende ging ja alles gut. Und für die DVD war es
natürlich auch gut, dass Dinge schief gingen, das erhöht für den
Zuschauer die Spannung.
...und macht die DVD besonders ehrlich.
Ihr seid einige „Umwege“
gefahren, teils um Wildparks zu besichtigen, oder zum nördlichsten
Punkt eurer Tour zu gelangen. Wie gehst du mit diesen Umwegen um,
hattest du nicht manchmal das Gefühl jetzt bloß keinen
überflüssigen Kilometer mehr zu fahren, zumal ihr ein wenig unter
Zeitdruck standet.
M.S.: Ja gegen Ende waren wir dann
leider unter Zeitdruck, was mir gar nicht gepasst hat. Aber die
„Umwege“ haben wir gerne in Kauf genommen, denn wir wollten ja
Australien bereisen und keine Geschwindigkeitsrekorde brechen. Der
Weg ist das Ziel.
Außerdem
hattest du einen absolut zermürbenden Gegenwind, die Tour hätte
weniger anstrengend ausfallen können, wenn ihr gegen den
Uhrzeigesinn gefahren wärt. Wie haben die Radfahrer auf dich und
dein Pedelec reagiert, als sie dich gegen den Wind haben kämpfen
sehen?
M.S.: „Du fährst in die
falsche Richtung!“ Das war der Satz, den ich am häufigsten gehört
habe. Es war tatsächlich so, dass ich der einzige Fahrradfahrer im
Norden war der von West nach Ost gefahren ist und damit mehrere
tausend Kilometer Gegenwind hatte. Auch musste ich mich immer wieder
verteidigen, warum ich mit einem Pedelec fahre, das ist doch wie
bescheißen und die Vorstufe zum Rollator. Ich denke der Zuschauer
sieht in der DVD, dass es immer noch Fahrradfahren ist und ich
oftmals, trotz Motor, an meine körperlichen Grenzen gestoßen bin.
Der Unterschied zu einem normalen Rad ist, dass ich schneller
unterwegs bin und eine höhere Durchschnittsgeschwindigkeit habe. Mit
einem normalen Rad hätte ich für die selbe Strecke 6-8
Wochen länger gebraucht.
Die Pannenstatistik deines Rades
fällt bei solch eine Strecke und solchen Bedingungen recht moderat
aus. Möchtest du etwas über die Bereifung und das Material sagen?
M.S.: Bei den Reifen habe ich neue
E-Bike Reifen für Schwalbe getestet, natürlich unplattbar und war
sehr zufrieden. Überhaupt hat mein Haibike XDURO sehr wenig Probleme
auf der Reise gehabt, außer Verschleiß, der bei so einer langen
Reise ganz normal ist. Es war ja auch eine Testfahrt die wir
unternommen haben und ich denke wir konnten zeigen, wie zuverlässig
Elektromobilität heute schon ist.
Hatte
der Hersteller also einen direkten Nutzen durch deine Fahrt? Weißt du, ob er Optimierungen am Rad vornehmen
wird?
M.S.: Auf jeden Fall. Ich bin für
meine Sponsoren auch Produkttester. Und ein wirklicher Langzeittest
ist doch noch mal etwas anderes, als die Simulation in einem
Testlabor. Meine Erfahrungen teile ich dann wieder mit den
Entwicklern und gebe Verbesserungsvorschläge, die dann auch Einfluss
auf die zukünftigen Modelle haben.
Übrigens, Glückwunsch zur Hochzeit
mit Marion in Australien. Woher kam die Entscheidung möglichst weit
weg von zu Hause zu feiern?
M.S.: Wir hatten das mit der Hochzeit
schon vor der Reise festgelegt. Wir wollten immer, dass es unser Tag
ist und hatten nie wirklich Lust auf eine riesen Veranstaltung mit
Monaten Stress im Vorfeld. Außerdem kann man in Australien überall
heiraten und muss nicht wie bei uns aufs Standesamt, denn der
Standesbeamte kommt überall hin, so haben wir barfuß am Strand bei
Sonnenuntergang geheiratet. Auch wenn meine Mama natürlich etwas
traurig war, dass sie nicht dabei war.
Du hast deine erste große Reise von
München nach Singapur bestritten und auch da mit großem Aufwand
gefilmt, wodurch deine DVD „What a Trip“ zu Recht gefeiert wurde.
In deinem jetzigen Film „Around Oz“ kündigst du zumindest an,
dass die nächste Reise bereits ansteht. Irgendetwas, was du uns
schon jetzt verraten kannst?
M.S.: Ich habe das in der letzten Folge
der DVD natürlich bewusst offen gelassen, da ich es selbst noch
nicht weiß. Am Ende hängen diese Reisen auch immer vom Budget ab,
dass darüber entscheidet was ich realisieren kann. Die nächsten
zwei Jahre werden zeigen wie erfolgreich das Australien Projekt läuft
und wenn dann alles gut geht werde ich 2015 eine neue Reise machen.
Deshalb ist es auch wichtig, dass die Zuschauer die DVD kaufen wenn
es sie interessiert und nicht irgendwo illegal downloaden, sonst
können Leute wie ich keine neuen Projekte realisieren. Das gilt
nicht nur für mich, sondern für alle Filmemacher, Musiker oder
Künstler, deshalb ist es wichtig Projekt durch den Kauf zu
unterstützen, wenn man sie gut findet.
...und das möchten wir an dieser
Stelle natürlich unterstützen. Die DVD/Blueray kann im eigenen Shop, oder auf Amazon bestellt werden. Den Trailer könnt ihr euch natürlich nach dem Interview anschauen, es lohnt sich.
Ab welchem Punkt wurde deine Leidenschaft zum Beruf? Hättest du beim Start in München daran gedacht immer wieder solch gewaltigen Touren zu machen?
M.S.: Sagen wir mal, ich hatte davon
geträumt das es so werden würde. Ich wollte meine beiden
Leidenschaften, das Filmen und das Reisen, miteinander kombinieren.
Die Idee entstand 2007, bis ich allerdings davon leben konnte
vergingen fast vier Jahre. Und auch heute bin ich gewiss kein
Millionär. Aber ich tue etwas, was ich liebe und kann mittlerweile
damit meine Miete bezahlen und möchte mit keinem anderen Beruf
dieser Welt tauschen.
Dein MP3-Player war ein treuer
Begleiter in teils sehr einsamen Stunden. Dein Hörbuch-Tipp für
Langstrecken und dein Musik-Tipp für kürzere Strecken.
M.S.: Bei den Hörbüchern habe ich
immer gerne Krimis gehört, die haben mich gut abgelenkt gerade, wenn
ich Gegenwind hatte. Da ich auch großer Fan des schwäbischen
Dialekts bin, haben mir z.B. die Fälle von Kluftinger sehr gut
gefallen, da war immer ein bisschen Heimat mitten im australischen
Busch mit dabei. Bei der Musik geht es kreuz und quer, je nach
Stimmungslage. Gerade beim Gegenwind habe ich so Sachen wie Skrillex
gehört, Hauptsache Laut und viel Beat. Aber auch Musik australischer
Bands wie The Cat Empire oder John Buttler Trio.
Zu guter Letzt, es ist
offensichtlich, dass du Fußball-Fan bist, dein Tipp für Bayern
gegen den BVB?
M.S.: Das letzte Finale habe ich ja in
Australien um vier Uhr Morgens gesehen. Noch ein verlorenes Finale
würde ich wohl nicht packen, deshalb gewinnt Bayern im Finale mit
3:1.
Lieber Maximilian, vielen Dank für
dein ehrlichen und ausführlichen Antworten und halte uns auf dem Laufenden.
Wer mehr will, sollte sich auf "What A Trip" umschauen.
Wer mehr will, sollte sich auf "What A Trip" umschauen.